Woran machst du die Bevormundung fest?
Müssen wir uns nicht in (für) ein(em) friedlichen/s Europa auf gemeinsame Regeln einigen, die gleichermaßen für alle Mitgliedsstaaten und deren Bürger gilt?
Gerade wir Deutschen mussten doch schmerzlich lernen, was geschieht, wenn man die eigene Nation für maßgeblich erachtet und auf die Interessen, Gefühle und Bedürfnisse der anderen pfeift. Und das, meine ich, gilt im kleinen, vom einzelnen Individuum aus gesehen, wie im großen.
Klar, man kann sich über EU-Normen über den Krümmungsgrad unserer (und importierter) Gurken streiten, aber abgesehen davon, dass solche Regelungen mit den Jahren angepasst oder sogar verworfen werden, sind sie doch ein Versuch, das Leben für europäische Bürger komfortabler zu gestalten. Ob man das jetzt an der Gurkenkrümmung festmachen will oder nicht ist jedermanns eigene Sache.
Und überhaupt, von wem geht denn die Macht in der Demokratie aus? Jawoll, von uns, den möglichst mündigen Bürgern.
Wir Deutschen machen alleine ein Drittel der EU-Bevölkerung aus. Dementsprechend viel bezahlen wir natürlich auch in ihre Kasse, haben aber im Gegenzug auch mehr Gewicht als andere Staaten. Ist das nicht ein wenig unfair für die kleinen Länder?
Nicht unbedingt, denn in den europäischen Gremien (EU-Rat, -Parlament, …) wird das zum Glück ausgeglichen, weil wir eben alle gleichberechtigte Partner sind.
Ich jedenfalls möchte nicht als aufrechter, aber einsamer Deutscher inmitten eines (vom Prinzip her) fortschrittlichen, vernünftigen, und menschlichen Bündnisses leben und misstrauisch in alle Himmelsrichtungen stieren, weil ich überall das fremdartige Böse vermute.
Und mal ehrlich, profitiert Deutschland nicht unglaublich vom geschlossenen Binnenmarkt (und damit von der gemeinsamen Währung)?
Noch ist deutsche Hochtechnologie außerordentlich begehrt und findet reißenden Absatz im Rest der Welt.
Damit das so bleibt, müssen wir unsere Kinder mit guter Bildung ausstatten und das können wir am besten, indem wir uns mit anderen vergleichen.
Natürlich ist politisch und wirtschaftlich nicht alles gut, nur weil es europäisch ist, aber damit sich etwas zum Positiven bewegt, müssen wir doch erst recht offen und ehrlich miteinander umgehen und kreativ in alle Richtungen denken. Nur dann können wir innovativ sein.
Ich selbst beurteile solche Schritte wie rein nationale Lösungsversuche als Rückschritt behaupte, dass sie einem solchen Denken entgegenwirken. Da würden mir die NPD-Leute bestimmt sogar zustimmen.
Es gibt noch zig weitere Argumente dafür, den humanistischen, auf Vernunft aufbauenden Weg in Europa zu gehen. Vielleicht sieht die Zukunft ja so aus, dass wir uns als Europäer mit deutscher Einfärbung sehen in einer Gemeinschaft ( m.M.n. ein viel besseres Wort als Union) aus Regionen, deren Einwohner sich gegenseitig respektieren, ihre Eigenheiten wahrnehmen und achten und aufeinander eingehen.
Eben so wie man sich das z.B. in zwischenmenschlichen Beziehungen wünscht. Und nochmal, welches schönere Vorbild könnte es für diesen Weg geben, als die Geschichte Deutschlands, dass sich seit 60 Jahren von jeglichem Großmachtsanspruch freigemacht hat und endlich mit seinen Nachbarn friedlich auskommt und sogar noch mehr? Endlich betrachten sich z.B. Deutsche und Franzosen als Freunde und berufen sich dabei auf die gemeinsame Herkunft, das in der Vergangenheit schwierige Verhältnis zueinander und eine gemeinsame Zukunft, weil beide profitieren.
Ich bin also sozusagen Stolz darauf, ein Deutscher zu sein, gerade weil es für die meisten Mitmenschen hier sowas wie Nationalstolz nicht mehr gibt und weil wir ein durch und durch vernünftiges, friedliches und einfach mal sehr fortschrittliches Grundgesetz haben. Ist es nicht auch schön, wenn man sich als Deutscher bezeichnen kann, dafür Anerkennung und Respekt erntet, sich aber gleichzeitig auch als weltoffener Europäer zu erkennen zu gibt?
Ich möchte kein Europa des gegeneinanders, sondern des füreinanders.Und das könnte irgendwann sogar bis hinunter nach Anatolien funktionieren, wenn wir nur daran arbeiten.
Aber ich wiederhole mich. Lasst mich meinen Lieblingseuropäer zitieren:
In Antwort auf:
„Europas Menschheitsideal scheint in der Tat unabänderlich mit der freien Meinungsäußerung, in gewissem Grade auch mit der Willensfeiheit des einzelnen, mit seinem uneigennützigen Bemühen um objektives Denken und mit der Förderung gegensätzlicher Meinungen auf geistigem und ästhetischem Gebiet zusammenzuhängen. Aus diesen Forderungen und Idealen setzt sich das Wesen des europäischen Geistes zusammen.“
Albert Einstein
So, das war das Wort zum Freitag. Vielleicht können wir ja darüber diskutieren.